Range: Eigentlich wollte ich an keiner Schule länger als 5 Jahre bleiben
Helmut Range war 24 Jahre Schulleiter unserer Schule. Zum 31.07.2014 wurde er in den Ruhestand verabschiedet. Vorangegangen war eine Festwoche mit mehreren Verabschiedungsfeiern. In zahlreichen offiziellen Reden und persönlichen Gesprächen wurde Herrn Range gedankt, als besondere Auszeichnung erhielt er die goldene Ehrennadel der Stadt Marburg. Im Interview lässt Herr Range noch einmal die wichtigsten Stationen seiner Arbeit an der Emil-von-Behring-Schule Revue passieren.
Elternbrief (EB): Herr Range, wenn Sie die drei wichtigsten beruflichen Stationen in Ihrem Leben vor der Emil-von-Behring-Schule nennen müssten, welche wären das?
Herr Range (R): Am Ende meines Studiums hatte ich mir vorgenommen, alle fünf Jahre die Schule zu wechseln. Wichtig waren für mich die sieben Jahre als junger Lehrer im Waldecker Upland. Dort habe ich meine Ausbildung gemacht. Das waren kleine Schulen, eine einzügige Grundschule, wie an der EvB, eine Mittelpunktschule und ein Lehrauftrag an einem Gymnasium. Die Upländer waren ein ganz anderer Menschenschlag, dort habe ich Fussball gespielt und so weiter.
An meiner zweiten Station hat mich die Arbeit als Personalratsvorsitzender geprägt, weil ich lernte, erfolgreich zu vermitteln und Kompromisse zu finden. Danach wurde ich Zweigleiter an einer Gesamtschule und wurde Mitglied in einem Schulleitungsteam, was aber nicht als Team arbeitete. Irgendwann hatte ich den Traum, auf eine Hallig als Lehrer zu gehen, als eine ganz andere Art der Auseinandersetzung mit der Natur. Das ließ sich aber nicht verwirklichen. Ein weiteres Standbein war von Beginn an die Arbeit als Teamer zunächst in der Lehrer- und 35 Jahre in der Schulleiterfortbildung.
EB: Was hat Ihnen als Schulleiter am meisten Spaß gemacht?
R: Schulentwicklung mit Schulleitungs-Team und Kollegium, mit allen unterschiedlichen Persönlichkeiten. Wir sind nicht auf jedes Pferd aufgesprungen, sondern haben in Konzepten gedacht. Mir waren dabei immer die Schüler sehr wichtig.
EB: Was hat Ihnen nicht gefallen?
R: Mir ging vieles zu langsam, zum Beispiel bei Neuausstattungen, bei Baumaßnahmen und der Sanierung. Aber man lernt, in größeren Zusammenhängen zu denken. Wenn man über den eigenen Tellerrand blickt, wird vieles relativ. Schließlich hat die Stadt Marburg nicht nur eine Schule zu unterhalten.
EB: Sie sind immer noch als Teamer in der Schulleiterfortbildung tätig. Von Ihrer Arbeit als Ausbilder bekam die Schule relativ wenig mit.
R: Ich habe die Rollen immer auseinander gehalten. Schließlich gilt der Prophet im eigenen Land nichts. Viele meiner Visionen von einer guten Schule sind in die Arbeit an der Emil-von-Behring-Schule unbemerkt eingeflossen. Ich wusste sehr gut, was an den Schule in Hessen passiert. Jede Schule hat eine eigene Entwicklung. Ich habe vieles gesehen, was zu uns passte, aber auch nicht passte. Die Arbeit in der Fortbildung hat auch meine eigenen Kompetenzen erweitert und verbessert und hat damit doch der Schule viel genutzt.
EB: Was ist aus Ihrer Sicht in der Entwicklung der EvB gut gelungen?
R: Ein wichtiger Schritt war, dass die 5. und 6. Klasse als Förderstufe unterrichtet wird. Zu Beginn meiner Tätigkeit gab es noch parallel dazu Realschul- und Hauptschulklassen. Das führte zu einem großen Übergewicht der reinen Realschulklassen.
Die Einführung von SchuB (Anmerkung der Redaktion: ein Konzept mit zwei Praxistagen im Hauptschulbereich) war am Anfang richtig, führte aber zur Überfremdung. Vielleicht hätten wir schon ein Jahr früher damit wieder aufhören sollen.
In der Berufsorientierung sind wir große Schritte weitergekommen. Mittlerweile sind alle unsere Schüler, nicht nur die Hauptschüler in ein gutes Konzept einbezogen. Die technische Ausstattung unserer Schule ist hervorragend und ermöglicht einen guten Unterricht und sehr gute Möglichkeiten zur Berufsorientierung.
EB: Die Mittelstufenschule hat sich ja auch Berufsorientierung auf die Fahne geschrieben.
R: Vielleicht war es Fügung, dass unser Antrag damals nicht genehmigt wurde. Aus meiner Sicht wäre sowieso nur eine Kombination aus Mittelstufenschule, Selbstständiger Schule und Einführung eines 10. Hauptschuljahres sinnvoll gewesen und wurde als Paket beantragt. Das Abgeben der Schüler an die Berufsschulen, wie es das Konzept der Mittelstufenschule vorsieht, empfinde ich immer noch als starke Einengung. Aber wir hatten immer einen Plan B, oder vielleicht sogar einen Plan C und haben deshalb keinen neuen Antrag gestellt.
EB: Statt Mittelstufenschule ist die Emil-von-Behring-Schule Selbstständige Schule geworden.
R: Die Selbstständige Schule ist ein Erfolgsmodell. Momentan sind erst 61 Schulen in Hessen SES. Vorteile sind klar erkennbar, eine flexiblere Schulbuchausstattung, mehr Personal, gezielte Fortbildungen. Am wichtigsten aber ist, dass sich das Qualitätsdenken im Kollegium und der Schulleitung verändert hat und dass wir 1 Prozent mehr Stunden haben. Wir haben neue Qualitätsziele definiert und überprüfen sie. Zum derzeitigen Ziel „Förderung von Schülern mit ihren unterschiedlichen Begabungen“ sind gezielte Maßnahmen wie die Doppelbesetzungen, Binnendifferenzierung, Kollegiale Hospitation zu nennen, und auch, dass die Lehrer in Teams zusammenarbeiten.
EB: Herr Range, sie hatten immer eine Vision von einer guten Schule. Wo kam die her?
R: Ein Schulleiter muss Weitblick haben und immer über den eigenen Tellerrand blicken. Ich habe immer genau zugehört, wenn ich zum Beispiel an anderen Schulen war. Zuschauen, viele Gespräche führen, mit Lehrern sprechen. Ich habe unseren Lehrern immer gesagt, dass man eine Idee formulieren kann, ohne sie selbst in die Tat umsetzen zu müssen, habe sie immer wieder ermutigt, ihre Visionen zu nennen und auszuprobieren. Ich war auch für Schüler immer erreichbar, auch bei Kritik. Die Wahrheit lag dann irgendwo in der Mitte.
Eines muss einem klar sein, als Schulleiter ist man kein Lehrer mehr, es ist ein anderer Beruf. Und doch muss man authentisch bleiben. Ich habe mich nie als Kontrolleur verstanden. Ohne Vertrauen zu den Lehrern geht es nicht. Lehrer wollen guten Unterricht machen und sich weiter entwickeln. Als Schulleiter muss man die Potentiale der Lehrer entdecken, Kreativität zulassen und mit Ihnen Ziele entwickeln. Und schließlich in die Konzepte der Schule einbinden.
Ein positives Menschenbild ist unbedingt nötig. Nur dann kann man verantwortlich und wertschätzend mit Lehrern, Schülern und Eltern umgehen. Für mich war die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern auch und gerade in Konfliktfällen wichtig. Daneben auch die Verlässlichkeit allen Partnern gegenüber
EB: Als Schulleiter hatten Sie ja auch viel mit dem Schulträger, der Stadt Marburg zu tun.
R: (schmunzelt): Grundsätzlich sind die Sachbearbeiter bei der Stadt kompetent und haben mich gut beraten und sehr oft unterstützt. Dafür war ich immer dankbar. Ich hatte manche Auseinandersetzung mit dem Bauamt. Aber ich war hartnäckig. Schließlich weiß ein Schulleiter besser, wie das Leben in der Schule abläuft. Ich hatte manchmal eben eigene Vorstellungen, davon, was uns guttat. Beispiel: Ich habe die Nummerierung der Gebäude nach dem Alphabet durchgesetzt. Es war eine Idee von unserem ehemaligen 2. Konrektor Herrn Mulot. In den Plänen des Bauamtes war dies nicht vorgesehen, aber für unsere Schule passte es wegen der verschiedenen Gebäude und der einzelnen Aufgänge. Die Buchstaben haben unsere Schüler im Berufsfeld Maler in der Adolf-Reichwein-Schule selbst hergestellt. Wir haben es einfach gemacht. Mittlerweile haben viele Schulen in Marburg die übersichtliche Nummerierung nach Buchstaben übernommen.
Was einer Schule guttut, entspricht eben nicht immer den Sachzwängen eines Schulträgers. Aber eines muss ich sagen, es gibt keinen Schulträger in Hessen, der mehr in Schulen investiert als die Stadt Marburg und ich komme ja viel herum. Ich denke Schulen sind in Marburg ein sehr wichtiger Standortfaktor und dies parteiübergreifend. Alle Schulen sind räumlich und ausstattungsmäßig in sehr gutem Zustand. Die Stadt hat dann ja schließlich auch den Naturwissenschaftlichen Neubau mitgemacht, unsere Gebäude grundlegend saniert und den Schulhof neu gestaltet.
Bei meiner Verabschiedung erhielt ich von der Stadt Marburg die goldene Ehrennadel, das war eine Bestätigung für mich und eine wertschätzende Geste.
EB: Was wünschen Sie sich für die EvB in 5 Jahren?
R: Ein gut zusammenarbeitendes Leitungsteam, mit aller Vielfalt an Persönlichkeiten. Ein interessiertes Kollegium und natürlich gesicherte Perspektiven, sprich gesicherte Schülerzahlen als Arbeitsgrundlage, dass man nicht um den Status Quo kämpfen muss. Außerdem wünsche ich mir, dass die Schüler unsere Angebote noch besser annehmen und mit Freude lernen und dass die Eltern weiterhin Vertrauen zu unserer Schule und den Konzepten haben.
EB: Vielen Dank Herr Range, wir wünschen Ihnen für Ihre Fortbildungstätigkeit alles Gute und danach einen erfüllten Ruhestand.
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